"Die Verschleierung der Wahrheit findet heute dauernd statt"

Neu ist, dass sich die Methoden der Beeinflussung von Staaten, Regierungen, aber auch von einzelnen Bürgern oder Institutionen gerade in unglaublicher Weise multipliziert haben.

Heute ist es nicht mehr nötig, dass eine Regierung jemanden losschickt, der identifizierbar einen Zeitungsartikel veröffentlicht oder identifizierbar ein Flugblatt abwirft. Sie können heute durch Vorgänge wie das Trollen - Menschen bewegen sich zu Dutzenden, Tausenden, Hundertausenden in den sozialen Medien und versuchen, bestimmten Meinungen eine Stimme zu verleihen - eine hybride Vorgehensweise unterhalb der Schwelle von formalen Wirtschaftssanktionen oder unterhalb von militärischen Gewaltmaßnahmen fördern.

Sie finden in der Liste der Konflikte des 21. Jhdts. keinen einzigen, der dem Muster eines interstaatlichen Krieges entspricht. Es handelt sich immer nur um Konflikte innerhalb einzelner Staaten.

Machtmonopol bedeutet, dass der Staat seinen Bürgern vorschreibt, wer Gewalt anwenden darf.

1945 ist man bei der Gründung der Vereinten Nationen noch davon ausgegangen, dass die Regierungen im Zaum gehalten werden und sich an das Völkerrecht halten müssten.

Ist ein Cyberangriff vorstellbar, der als ein Angriff im Sinne von Artikel 5 des Nato-Vertrags bewertet werden müsste, der also die Beistandspflichten der anderen Nato-Partner auslösen würde? Ich denke, den Fall muss man bejahen.

Wenn das so ist, würde das den Einsatz nuklearer Waffen mit einschließen - eine furchtbare Vorstellung.

Wenn es so ist, dass wir eine ganze Reihe von Firmen haben, die über das Zehnfache, Hundertfache, Tausend-, Zehntausendfache an Wirtschaftskraft der meisten Staaten verfügen - und ihre Zahl wächst -, ab wann kommt der Punkt, an dem man sagen muss: Diese Firmen müssten eigentlich auch in einem Gremium vertreten sein? Auch sie müssen wir einbeziehen. Können wir sie den Regeln, die auch Staaten achten müssen, unterwerfen?

Ich glaube, die Bereitschaft für den Schutz der Europäischen Union einzutreten, wird wachsen. Sie wird aber immer dort ihre Grenzen finden, wo es um das klassische Heldentum geht.

Sind wir eigentlich noch fähig, Helden zu produzieren, also Menschen, die bereit sind, mit ihrem Leben für das Gemeinwesen, an das sie glauben, einzustehen?

Schon Clausewitz sagte: Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit. Auf Englisch sagt man: Fog of War. Kaum wird geschossen, steigt Pulverrauch auf, und man sieht nichts mehr. Da werden Pläne zur Makulatur.

Heute ist es so, dass der Fog of War auch in Zeiten von Abwesenheit von Krieg - in Friedenszeiten - stattfindet. Der Fog of War wird zum normalen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens.

Wenn sich ein Staat nicht sicher ist, wer ihn angegriffen hat, macht er sich völkerrechtlich schuldig, wenn er, um einen Angriff abzuwehren, gegen jemanden losschlägt, der möglicherweise gar nicht der Angreifer war.

Wenn Sie es journalistisch überhöhen wollen, haben wir im Bereich der Wahrheitsfindung einen permanenten Kriegszustand.

Die Verschleierung der Wahrheit, die früher nur im Krieg stattfand oder kurz vor dem Einsatz von Kriegswaffen, findet heute dauernd statt.