Dr. Hans-Georg Maaßen im Interview mit Yvonne Hofstetter

"Kein Kriegszustand"

Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz a. D., Dr. Hans-Georg Maaßen, unterscheidet zwischen hybridem Krieg und hybrider Bedrohung. Der Unterschied hat rechtliche Konsequenzen.

Berlin, 14. Mai 2018

Ma-27

Ich würde sehr deutlich differenzieren zwischen hybrider Bedrohung und hybridem Krieg.


Ma-28

Krieg ist ein Zustand, über den wir gar nicht diskutieren müssen, er ist letztendlich völkerrechtlich festgelegt, unabhängig davon, ob der Krieg erklärt wird oder nicht erklärt wird.


Ma-29

Beim hybriden Krieg haben wir es regelmäßig mit einem wahrnehmbaren Kriegszustand zu tun, der durch hybride Maßnahmen flankiert wird.


Ma-32

Bei der hybriden Bedrohung haben wir es mit einem Friedenszustand zu tun. Keiner der Beteiligten beabsichtigt, dem anderen offiziell den Krieg zu erklären oder mit Truppen gegeneinander zu marschieren. Im Gegenteil, es soll vermieden werden, dass man als feindseliger Gegner offen in Erscheinung tritt.


Ma-33

Wir sprechen nicht vom "hybriden Krieg", weil wir keinen Kriegszustand haben. Ein Kriegszustand soll tunlichst - jedenfalls nach außen hin - vermieden werden. Stattdessen bezeichnen wir es als hybride Bedrohung, wenn Maßnahmen unterhalb der Kriegsschwelle liegen, aber oberhalb dessen, was man als zulässige, normale Einflussnahme-Maßnahmen beziehungsweise zulässige aktive Maßnahmen ansieht.


Ma-40

Es ist Aufgabe der inländischen Sicherheitsbehörden, sich um hybride Angriffe zu kümmern. Das ist, wie Sie sich vorstellen können, für das Bundesamt für Verfassungsschutz eine sehr große Herausforderung, weil unser Gegenüber bei einer hybriden Bedrohung kriegsähnlich operiert, ohne dass jemals der Krieg erklärt werden soll. Der Gegner operiert unterhalb der Kriegsschwelle, subtil und sublim, aber die Behörden, die diese Angriffe auffangen sollen, sind zivile Behörden.


Ma-43

Die Bundeswehr, die über das Knowhow und ausreichende Ressourcen verfügt, darf sich nicht um hybride Angriffe kümmern, weil in diesen Fällen der Verteidigungsfall noch nicht vorliegt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz als zivile Abwehrbehörde ist in diesen Fällen zwar zuständig, verfügt aber nicht über eine mit der Bundeswehr vergleichbare Ressourcenausstattung. Deshalb pflegen wir eine enge Zusammenarbeit mit der Bundeswehr.


Ma-45

Im Falle einer hybriden Bedrohung – und ich muss sagen, wir betreten hier (…), ich will nicht sagen: Neuland, aber die Pfade sind von der Bundesregierung, vom Gesetzgeber noch nicht betreten, geschweige denn ausgetreten – ist nach der reinen Zuständigkeitsverteilung der Inlandsnachrichtendienst, also das Bundesamt für Verfassungsschutz, die zuständige Abwehrbehörde.


Ma-47

Wir sind als Inlandsnachrichtendienst keine Offensivbehörde. Wir haben keine Befugnis zu einem sogenannten Hack Back, das heißt, offensiv die IT eines gegnerischen Nachrichtendienstes anzugreifen und zu zerstören.


Ma-104

Natürlich gab es auch beim IS einzelne Personen, die IT-affin waren. Wir haben beobachtet, dass sie DDoS-Attacken organisieren konnten, dass sie Zugang zu Hackergruppierungen hatten und dass sie in der Lage waren, Defacement-Kampagnen durchzuführen.


Ma-105

Wir konnten nicht beobachten, dass der IS personell und mit Knowhow in der Lage war, größere Cyberangriffe zu fahren.


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