Big Data, das ist nicht viel mehr als ein Marketingbegriff, unter dem man sich nichts vorstellen kann. Doch nichts weniger verbirgt sich dahinter als die Vermessung der Welt. Unser Leben statten wir mit immer mehr, immer kleineren und noch schickeren Sensoren aus, die uns überwachen, vom Auto bis zur vernetzten Zahnbürste. Und unser Smartphone? Nichts weiter als ein Fühler, mit dem man auch telefonieren kann. Die über uns und unser Leben erfassten Rohdaten werden von Künstlicher Intelligenz analysiert, und Big Data wird zu Big Data Analytics, zur Massendatenanalyse, die völlig neue Information über uns liefert. Ob wir kreditwürdig, ein guter Bürger oder von gutem Charakter sind, bestimmen Algorithmen anstelle von Menschen. Kann uns das egal sein? Und ist die Information auch zuverlässig? Was es mit uns Menschen macht, wenn wir als Zahl und Datum auf den Markt geworfen werden, darüber reflektieren wir gemeinsam in einem Talk über Big Data, Big Trouble.
Fast lustvoll räsonieren wir, wie sich die neuen Maschinen auf unser Leben auswirken. Werden wir endlich die lästige Arbeit los, und winkt uns das Schlaraffenland mit Zeit im Überfluss, die wir für unsere Hobbies einsetzen? Und womit, wenn nicht mit unserer menschlichen Arbeit, nehmen wir dann am Wirtschaften teil? Die Digitalisierung hat viel mit der Frage zu tun, wie wir im 21. Jahrhundert Geld verdienen – sie wird begleitet von einer neuen Ausprägung des Kapitalismus, dem Informationskapitalismus. Die klassische Kapitalismuskritik weitergedacht – damit uns klar wird: Im digitalen Zeitalter geht es nicht um Technologiekritik oder –verbote. In erster Linie geht es um die Zähnung eines libertären neuen Marktes.
Politik – die Machtausübung durch Menschen – kann man auf zwei Arten betreiben: entweder durch Gesetz oder durch Institution. Politik, das ist die Gestaltung der Gesellschaft. Die schärfste Waffe der (repräsentativen) Demokratie und ihrer Berufspolitiker: die Gesetzgebung. Doch in den wenigen letzten Jahren beobachten wir den radikaleren Umbau der Gesellschaft durch digitale Technologiegiganten. Wir sind zur Hyperkommunikation übergegangen und schreiben Kurznachrichten, anstatt zu telefonierten. Wir verabreden uns über das Internet und Dating-Portale. Soziale Netzwerke haben den Begriff der Freundschaft neu definiert, wenn nicht zerstört. Onlineshopping explodiert, und die großen, schicken Malls befinden sich in Agonie. Das Recht und die Regeln, sie hinken nach. Haben wir das so gewollt? Haben wir jemals über diese Art des Umbaus der Gesellschaft demokratisch abgestimmt? Oder legitimieren wir ihn anders? Und wenn Algorithmen solche gesellschaftliche Macht haben, macht dann die Mathematik dem hoheitlich gesetzten Recht nicht längst den Platz streitig? Ob sich beides vertragen kann, beschäftigt Yvonne seit langem.
Die Digitalisierung zieht viele gesellschaftliche Folgen nach sich. Viele werden bereits auf breiter Basis debattiert. Ein Phänomen hat bisher wenig Beachtung gefunden: die zunehmende Komplexität der Gesellschaft. Wenn wir unsere Umwelt zum Internet der Dinge vernetzen, steigern wir die Komplexität unserer Gesellschaft fast ins Unermessliche: Immer mehr Teilchen unserer Gesellschaft interagieren miteinander und mit uns selbst. Was einst still war und statisch, spuckt jetzt Daten, wird dynamisch und will reden. Wir bauen uns eine Komplexitätsexplosion. Aber komplexe Systeme haben Eigenschaften: Sie lassen sich nicht mehr vorhersagen. Werden wir eines Tages aufwachen, und unser Leben wird nie mehr dasselbe sein wie zuvor? Wenn sich das Internet der Dinge weiter ausbreitet, kann uns das passieren – einfach deshalb, weil Emergenz – ein neuer Zustand unseres Lebens – ein integraler Bestandteil komplexer Systeme ist. Kann man die komplexe digitale Gesellschaft vom Unfallpunkt fernhalten?