BayWa Symposium: Wie sozial ist die Soziale Marktwirtschaft?

Die Diskutanten des BayWa-Symposiums vom 24.10.2019 in München. Foto Credits: Antje Krieger, BayWa

In einer breit angelegten Diskussion diskutierten der Ökonom Professor Marcel Fratzscher, die zwölffache Paralympics-Siegerin im Biathlon und Präsidentin des VdK, Verena Bentele, der Vorstandsvorsitzende der BayWa AG, Professor Klaus Josef Lutz, und die Publizistin Yvonne Hofstetter am 24.10.2019 im Künstlerhaus München über die Lage der Sozialen Marktwirtschaft. Gastgeber waren die BayWa AG und der Wirtschaftsbeirat Bayern. Durch das Programm führte die Moderatorin der BR Rundschau, Anouschka Horn.

 

»Ich bin in der letzten Zeit allenthalben erschrocken, wie übermächtig der Ruf nach kollektiver Sicherheit im sozialen Bereich erschallte«, schrieb Ludwig Erhard im Jahr 1954. »Wo aber sollen wir hinkommen und wie wollen wir den Fortschritt aufrechterhalten, wenn wir uns immer mehr in eine Form des Zusammenlebens von Menschen begeben, in der niemand mehr die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen bereit ist und jedermann Sicherheit im Kollektiv gewinnen möchte.«

 

Mit Blick auf Erhards Ruf nach Selbstverantwortung beklagte Klaus Josef Lutz die schlechten Voraussetzungen für Unternehmer in Deutschland. Unternehmer, die hohe Risiken auf sich nehmen, sich aber nicht mit jedem Geschäftsmodell durchsetzen können, würden in Deutschland durch Nichtunternehmer gesellschaftlich herabgewürdigt. Dabei werde die Lage für Unternehmer insgesamt immer schwieriger, etwa weil die Richtlinien der Kreditvergabe durch Banken immer strenger würden. Das erschwere den Zugang zu Liquidität und verhindere unternehmerisches Handeln. Eine weitere Herausforderung der Sozialen Marktwirtschaft sei die Automatisierung von Arbeit. In Ländern, die unter dem demografischen Wandel leiden, sei Automatisierung unvermeidlich, in anderen Nationen hingegen werde sie zu Arbeitslosigkeit führen.

 

Verena Bentele bezweifelte, dass der Einsatz von Robotern in der Landwirtschaft immer sinnvoll sei. Vielmehr ließen zu große finanzielle Ungleichheit, zu viel Benachteiligung von Frauen, zu wenig gesellschaftliche Durchlässigkeit die Menschen an der Sozialen Marktwirtschaft zweifeln. Sie mahnte indessen an, die Jugend besser auszubilden und ihr die Vorzüge der Sozialen Marktwirtschaft zu erklären. Auch Frauen müssten gerechter entlohnt werden.

 

Dass die Digitalisierung mehr Soziale Marktwirtschaft ermögliche, bestritt Yvonne Hofstetter. Die Digitalisierung der vergangenen zwei Jahrzehnte sei dominiert von den Big-Tech-Unternehmen aus dem amerikanischen Silicon Valley, das mit einer anderen Vorstellung von Kapitalismus als Europa arbeitete. »Liberty« und der Neoliberalismus amerikanischer Provenienz, der jede staatliche Marktregulierung ablehnt, bevorzuge immer jene Unternehmen, die den Wettbewerb anführten. Monopole und Oligopole seien die Folge, wenn das Valley rigorosen Wettbewerb, der die bewusste Zerstörung von Mitbewerbern und Märkten anstrebt, unter Einsatz größter finanzieller Mittel durchsetze.

 

Marcel Fratzscher, der meistgefragte Mann des Abends, konnte die Bedenken seiner Mitdiskutanten teilen. Er warnte, dass das Rentensystem in Kürze in große Schwierigkeiten geraten werde, während viele Menschen in Deutschland nicht in der Lage seien, für ihr Alter privat vorzusorgen. Soziale Marktwirtschaft müsse deshalb an die geänderten Lebensbedingungen angepasst werden. Unter anderem wies er auf Pläne der Regierung für ein Soziales Grundeinkommen hin, das Langzeitarbeitslosen Arbeit zum Mindestlohn ermöglichen soll, um sie wieder für den ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Die Selbstverantwortung müsse inzentiviert und die Steuergesetzgebung auf den Prüfstand gestellt werden.

 

Fazit: Die Soziale Marktwirtschaft ist kein Auslaufmodell. Es ist zwar richtig, dass sich die Märkte in den Jahrzehnten nach Ludwig Erhard verändert haben. Auf diese Veränderungen muss sich auch die Soziale Marktwirtschaft enstprechend einstellen.